Arbeitszeitkontrolle – 2. Teil
Im vorangehenden Blogbeitrag haben wir die Pflicht zur Führung einer Arbeitszeiterfassung aufgrund gesetzlichen Bestimmungen und den Bestimmungen von Gesamtarbeitsverträgen der Reinigungs-, der Schreiner- sowie der Maler- und Gipserbranche abgehandelt. Nachfolgender Beitrag soll Ihnen die Konsequenzen bei Nichtführung einer Arbeitszeiterfassung aufzeigen.
1. Kontrollkosten und Konventionalstrafe aufgrund einer Lohnbuchkontrolle
Bei einer Lohnbuchkontrolle kann die Kommission dem kontrollierten Betrieb die Kontrollkosten und eine Konventionalstrafe auferlegen. Die Legitimität dazu findet sich in den Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages.
1.1. Kontrollkosten
Die Kontrollkosten1 werden in der Regel nach dem Verursacherprinzip auf die Betriebe überwälzt. Folglich hat der Betrieb nur die Kontrollkosten, oder ein Teil davon, zu bezahlen, wenn mindestens eine GAV-Bestimmung verletzt wurde und die Kontrolle demzufolge notwendig war.
Folglich kann die Nichtführung der Arbeitszeiterfassung dazu führen, dass der Betrieb ein Teil der Kontrollkosten der Lohnbuchkontrolle tragen muss, auch wenn keine Unterschreitung des Mindestlohns stattgefunden hat.
1.2. Konventionalstrafe
Gewisse Gesamtarbeitsverträge auferlegen dem Betrieb eine Konventionalstrafe, wenn dieser keine Arbeitszeitkontrolle führt.
Die Schreiner büssen die Verletzung der Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit nach Art. 46 Abs. 4 GAV mit CHF 4’000.00. Die Maler und Gipser fordern für den gleichen Verstoss gemäss Art. 6.5 lit. c GAV eine Konventionalstrafe von bis zu CHF 8’000.00. Der GAV der Reinigungsbranche legt hingegen keine konkrete Konventionalstrafe fest.
Zudem berechnen sämtliche uns bekannten GAV-Kommissionen die Konventionalstrafe nach der Schwere der GAV-Verletzungen. Jede Verletzung einer GAV-Bestimmung erhöht die Schwere der gesamthaften Verletzungen. Folglich erhöht die Nichtführung einer Arbeitszeiterfassung grundsätzlich in jeder Branche die Konventionalstrafe.
2. Nachteil bei einer Lohnbuchkontrolle
Fehlt eine Arbeitszeitkontrolle, kann bei einer Lohnbuchkontrolle nicht geprüft werden, ob die Bestimmungen zur Arbeitszeit, zum Ferienguthaben, zu den Feiertagen und Mindestlöhnen im Sinne des GAV erfüllt werden. Kann der Betrieb keine Arbeitszeiterfassung vorlegen, entsteht beim Kontrolleur automatisch der Verdacht, dass der Betrieb bewusst die Arbeitszeiterfassung nicht vorlegt. Aufgrund dessen wird bei der Lohnbuchkontrolle in der Regel detaillierter geprüft und die vorliegenden Unterlagen stärker hinterfragt.
Nachfolgend zeigen wir Ihnen zwei Beispiele aus der Praxis, welche die Wichtigkeit der Kontrolle der Arbeitszeiterfassung verdeutlichen.
- Ein Arbeitnehmender erhält 80% des Mindestlohnes, weil im Arbeitsvertrag ein 80% Pensum vereinbart wurde. Effektiv arbeitet er jedoch in einem Vollzeitpensum.
- Ein Arbeitnehmender erhält 100% des Mindestlohnes. Er erarbeitet sich jedoch monatlich 8 Überstunden. Aufgrund der fehlenden Arbeitszeitkontrolle werden die Überstunden nicht als solches erfasst und ausgewiesen.
In beiden oben genannten Beispielen kann sich der Arbeitgeber durch die Nichteinhaltung des GAV einen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerber verschaffen. Aus diesem Grund hat der Kontrolleur bei fehlender Arbeitszeiterfassung Verdacht zu schöpfen, wenn keine Arbeitszeiterfassungen vorgelegt werden.
3. Nachteil vor Arbeitsgericht
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnis kommt es gelegentlich zu Streitigkeiten bezüglich der Überstunden. Gemäss Rechtsprechung2 hat der Arbeitnehmende die Erarbeitung, die Anordnung oder die Notwendigkeit der Überstundenarbeit nachzuweisen.
Kann der Betrieb keine Arbeitszeiterfassung vorlegen, führt diese Pflichtverletzung nicht automatisch zu einer Umkehr der Beweislast. Der Richter ist aber gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung befugt, die Anzahl der Überstunden zu schätzen.3 Der Arbeitgeber hat dann die geschätzten Überstunden mit einem entsprechenden Zuschlag zu vergüten.
4. Urkundendelikt nach Art. 251 Strafgesetzbuch (StGB)
An dieser Stelle möchten wir noch auf nachfolgenden Sachverhalt hinweisen und vehement davon abraten. Häufig ist in der Praxis anzutreffen, dass ein Betrieb die Arbeitszeiterfassung im Nachhinein ausfüllt und täglich die nach GAV geschuldete Arbeitszeit einträgt.
Eine solche Vorgehensweise kann den Tatbestand des Urkundendelikts gemäss Art. 251 StGB erfüllen. Wer in der Absicht, jemanden an andern Rechten zu schädigen oder sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde verfälscht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Die Arbeitszeitkontrolle ist eine Urkunde und die Verfälschung der Darstellung der effektiven Arbeitszeit dient einem unrechtmässigen Vorteil des Arbeitgebers und in der Regel wird dadurch der Arbeitnehmende um das Recht einer Überstundenauszahlung gebracht. Somit sehen wir in einem solchen Fall den Tatbestand des Urkundedelikts gemäss Art. 251 StGB als erfüllt.
- Die Kontrollkosten sind die Aufwendungen der Kontrollfirma. Konkret verrechnet der Kontrolleur in der Regel seine Aufwendungen zu einem vorgegebenen Stundensatz zwischen CHF 120.00 bis 150.00 pro Stunde zuzüglich Auslagenersatz.
- BGE 129 III 171
- BGE 4C.307/2006